Geprüfte Ketten

Von geprüften Ketten

Bevor eine Gütekette die Fabrik verläßt, muß sie einem besonderen Prüfverfahren unterworfen werden. Während in England die Prüfung von Ketten schon lange vor der Jahrhundertwende üblich war, gingen die deutschen Kettenhersteller erst allmählich dazu über. In Fröndenberg waren aber spätestens seit den 1910er Jahren alle namhaften Kettenfabriken in der Lage, Ketten vor Ort im Betrieb prüfen zu lassen bzw. selbst zu testen. Die Möglichkeit der Prüfung galt als besonderes Qaualitätsmerkmal einer Kettenfabrik, auf das in vielen Werbeschriften jener Zeit verwiesen wurde. Voraussetzung waren hydraulische Kettenprüfmaschinen, die mittels elektromotorischer Pumpen angetrieben wurden. Die Ketten wurden in Prüfbahnen, die im Boden versenkt waren, eingehängt und auf ihre Belastbarkeit, die an entsprechenden Manometern abgelesen werden konnte, geprüft.

Ermittelt wurde:

  • die Gebrauchslast (zulässige Belastung der gesamten Kette).
  • die Prüflast, der eine Kettenlänge (27,5 m) unterworfen wird (Recklast).
  • die Bruchlast, die eine Dreigliederprobe aus jeder Kettenlänge aushalten muß.

Wenn eine Kette z. B. auf eine Taglast von 100 t berechnet war, so mußte sie auf 200 t geprüft werden und durfte erst von 1 : 2 : 4 ist übrigens als Faustregel bis heute gültig

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Zur Ermittlung der Bruchlast wurden aus jeder Länge drei Kettenglieder herausgetrennt (Abbildung), die ein unabhängiger Prüfungsbeamter vorgab. Diese drei Glieder wurden auf Bruchlast geprüft. Wenn die erste Bruchprobe versagte, wurde eine zweite entnommen, erfüllte auch diese die Anforderungen nicht; dann wurde die ganze Länge verworfen. Wenn die Dreigliederprobe bestanden war, wurde die Kette wieder zusammengeschweißt, in der ganzen Länge in die Prüfbahn eingespannt und auf Prüf- oder Recklast getestet. Danach wurden die Kettenglieder auf ihre äußere Beschaffenheit geprüft und schadhafte Glieder ausgetauscht. Nicht brauchbar waren Kettenglieder, die bereits an der Oberfläche sichtbare Veränderungen, z. B. feine Risse aufwiesen. Das besondere Augenmerk galt dabei den Bereichen, die die größten Zugspannungen auszuhalten hatten, nämlich die Außenseite der Rundung und die Innenseite der Schenkel.

Sämtliche geprüfte Ketten erhielten ein Prüfzeugnis und wurden mit Prüfstempeln versehen, die Aufschluß über die Güteklasse und den Hersteller bzw. die prüfende Institution gaben. Ursprünglich wurden die Stempel jeweils an den Kettenenden angebracht. Mittlerweile erfolgt die Kennzeichnung automatisch auf jedem Glied oder in Abständen von etwa 1,00 m.

Jede Gütekette ist außerdem mit einem Zeugnis ausgestattet, das Angaben über Hersteller, Norm, Stückzahl, Länge, Gewicht und Werkstoff der Kette enthält. Hochfeste Ketten erhalten seit 1953 den von der Berufs-genossenschaft herausgegebenen H-Stempel, der die heute nicht mehr zugelassene Kette der Güteklasse 4 kennzeichnete.

Mittlerweile sind „zur weiteren Kennzeichnung und siche-ren Unterscheidung der Güteklassen (…) Ketten zum Heben von Lasten außerdem mit Anhängern bestimmter Form und Farbe zu versehen, nämlich rund/farblos für Güteklasse 2, dreieckig/weiß für Güteklasse 3, fünfeckig/grün für die Güteklasse 5, sechseckig/gelb für die Güteklasse 6 und achteckig/rot für die Güteklasse 8. Informationen zur Tragfähigkeit, zugelassenen Neigungswinkeln etc. sind ebenfalls den Anhängern zu entnehmen.

Die Prüfung der Anker- und Schiffsketten erfolgte nach den Vorgaben und unter der Aufsicht einzelner Klassifikationsgesellschaften, die den Bau von Seeschiffen in allen Einzelheiten überwachten und die Werte für die einzelnen Güteketten festlegten.

Zu den wichtigsten Gesellschaften dieser Art zählen bis heute der Germanische Lloyd, Lloyd’s Register of Shipping, American Bureau of Shipping, Norske Veritas, Bureau Veritas und Registro Italiano. Sämtliche Gesellschaften beschäftigten eigene Prüfungsbeamten, die die Prüfungen der in Auftrag gegebenen Ketten vor Ort persönlich überwachten.

Jede Kettenprüfung war, besonders, wenn eigens dazu ein Prüfungsbeamter bestellt wurde, ein höchst spannender Augenblick für die Kettenschmiede und den Fabrikanten, denn es stand viel auf dem Spiel. So gab eine Prüfung nicht nur Aufschluß über die Qualität des Werkstoffes und der Werkstücke, sondern auch über die Fähigkeiten des ausführenden Kettenschmieds. Letztlich waren die erfolgreichen Prüfungen ein Garant für den guten Ruf einer Firma.

Quellenangabe:

Dr. Marita Pfeiffer: „Fröndenberger Kettenbuch“