Von technischen Ketten, Maschinen und allerlei Gefahren
Mit der Verbreitung der technischen Literatur ist uns seit dem 15. Jahrhundert ein beachtlicher Fundus zum Thema Ketten überliefert.
In den sogenannten „Maschinenbüchern“ finden sich Ketten zum Heben von Lasten, ebenso wie Förderketten verschiedenster Art. Sie sind Teil komplexer, manchmal auch sehr bizarrer Mechanismen, die in der Wirklichkeit nicht unbedingt funktionsfähig waren. Eine sehr schöne Kettendarstellung findet sich in einer lavierten Federzeichnung (Abbildung) im Skizzenbuch „de ingeneis“, das der Sieneser Mariano di Jacopo, genannt Taccola, in der ersten Hälfte des 15. Jahrhundert verfaßte. Hier wird ein mit Lastkette, Haken und Zugringen ausgestatteter Wippbalken gezeigt, der zur Verladung von Schiffsgütern diente. Zu den berühmten Darstellungen gehören auch die Ketten bzw. gelenkigen Verbindungen, die Leonardo da Vinci um 1490 skizzierte und nach deren Prinzip unsere heutigen Gelenkketten, zu denen z. B. auch die Fahrradketten gehören, aufgebaut sind. Den Kettentrieb selbst hatte jedoch weit vor Leonardo schon ein Erfinder der Antike, Philon von Byzanz, um 200 v. Chr. entwickelt. Besonders interessant und aufschlußreich sind die Beschreibungen und Illustrationen des Georg Agricola in seinen „Zehn Bücher(n) über das Berg- und Hüttenwesen“ von 1556.
Agricola stellt ein mittels einer doppelten eisernen Kette betriebenes Schöpfrad vor, das bereits in der Antike erfunden wurde. Der Vorteil der doppelten eisernen Kette (Abbildung) besteht nicht nur in der größeren Stabilität, sondern auch darin, daß sie den Charakter eines breiten Bandes hat. Die daran aufgehängten Eimer haben auf diese Weise einen festeren Halt, außerdem hat die Kette beim Aufrollen auf den Kettenkorb eine größere Auflagefläche und kann nicht so schnell verdrehen.
Agricola erwähnt desweiteren eine Hakenkette, die aus u-förmigen, also offenen, ungeschweißten Gliedern besteht, deren Enden zu Haken gebogen sind, in die jeweils das nächste Kettenglied eingehängt werden kann. Diese Kette hat den Vorteil eines Bandes und ist außerdem leicht zu kürzen bzw. zu verlängern, weil die Glieder lose ineinanderhängen.
Aber auch einfache Gliederketten sind bei Agricola dargestellt, z. B. in einem sogenannten Kehrrad, das vorwärts und rückwärts laufen konnte. Da die Kette den Bewegungsrichtungen des Schaufelrades folgte und abwechselnd auf- und abwärts bewegt wurde, genügte hier eine einfache Gliederkette. Bemerkenswert ist das dreisträngige Kettengehänge, an dem die Bulge (ein Behälter aus Ochsenhaut) befestigt ist. Solche mit entsprechenden Haken oder Ringen versehene Lastaufnahmemittel sind bis heute üblich. Sorgfältige Gedanken machte sich Agricola auch über die Handhabung und Markierung durch Ringe und die Feststellmöglichkeiten durch Haken sowie um die mögliche Bruchgefahr der Ketten:
Manchmal prägten Ketten sogar die Bezeichnung einer Maschine, wie z. B. bei einem höhenverstellbaren Mühlrad von 1718. So geht Bezeichnung „Pansterwerk“ vermutlich die Verwendung von „Panzerketten“ zurück, die auf einer Welle auf- und abgewickelt werden konnten, wodurch das Mühlrad je nach Wasserstand in der Höhe regulierbar wahr.
Die Bezeichnung Panzerketten meint aber nicht die Kettenart, denn es ist nur eine einfache Gliederkette dargestellt, sondern bezieht sich wahrscheinlich auf den Berufsstand der Panzermacher. Sie produzierten im 17. und 18. Jahrhundert nach der Einführung der Feuerwaffen keine Kettenhemden mehr, sondern sogenannte „Panzerwaren“, worunter man u.a. Haken, Ösen und auch Ketten verstand.
Quellenangabe:
Dr. Marita Pfeiffer: „Fröndenberger Kettenbuch“