Das Fröndenberger Stiftsgebäude am Kirchplatz wurde nach den Wirren des 30jährigen Krieges östlich der historischen Kloster- und Stiftskirche aus dem Privatvermögen der reformierten Äbtissin Ida v. Plettenberg-Lenhausen (etwa 1603-1671) als repräsentatives Abteigebäude des freiweltlich-adeligen Damenstifts erbaut.
Ida v. Plettenberg stand dem Konvent seit 1653 vor und verstarb im Juni 1671. Laut Inschrift an einem Querbalken der südlichen Giebelfront war der Bau 1661 vollendet. Zuvor diente das südlich davon gelegene und 1607 errichtete alte Abteigebäude (heute Bernsteinhaus genannt) als Residenz ihrer Vorgängerinnen.
In ihrem Testament vermachte die Äbtissin Ida v. Plettenberg das ihr gehörende Haus dem freiweltlich-adeligen Damenstift und es diente bis zur Aufhebung dieser Institution zum 1.1.1812 als Wohn- und Repräsentationsgebäude der nach ihr amtierenden Äbtissinnen. Bereits 1716 waren größere Reparaturarbeiten vonnöten und die Lutheranerin Dorothea v. Wylich (Äbtissin 1717-1767) ließ das Gebäude „in einen recht schönen Stand setzen.“
Im Hause fanden bis 1812 die Wahlen zur Äbtissin und Aufschwörungsfeierlichkeiten junger Stiftsdamen in Anwesenheit ihrer adeligen Familien ebenso statt wie Hochzeitsfeierlichkeiten ehemaliger Stiftsdamen oder Trauerfeiern für verstorbene Äbtissinnen, Geistliche und Konventsangehörige statt.
1767-1788 residierte hier die katholische Äbtissin Maria Anna v. Fürstenberg, deren Gemälde heute im Heimatmuseum im obersten Stockwerk des Gebäudes zu sehen ist. Zusammen mit der Kirche, weiteren Gebäuden und den Besitzrechten an mehr als 100 Höfen gelangte das Stiftsgebäude mit der Säkularisation in den Besitz des Staates, jedoch behielt die Äbtissin Wohnrecht auf Lebenszeit. Als diese, die Lutheranerin Elisabeth Maria v. Boenen 1819 verstarb, diente der nördliche Teil als Pastorat und Wohnung den evangelisch-lutherischen Geistlichen und ihren Familien, der südliche Teil den katholischen Geistlichen und deren Haushälterinnen. Anfang des 20. Jh. war im nördlichen Bereich ein zweigeschossiger Anbau errichtet worden, der später im Zuge der Sanierung des Hauses abgerissen wurde und während seines Bestehens Raum bot für evangelische Gemeindegruppen und auch für einige Jahre eine private evangelische „Höhere Töchterschule“ beherbergte.
Blick um 1939 auf das Ensemble aus Stiftsgebäude, Stiftskirche und Marienkirche
Im Stiftsgebäude wohnten stadtbekannte Fröndenberger Persönlichkeiten wie die evangelischen Pfarrer und Sparkassengründer Diederich Overbeck (im Dienst 1838-1858), Karl zur Nieden (im Dienst 1861-1890) und die katholischen Geistlichen Christian Altendorff, Bernhard Siemer, Bernhard Schröder und ab 1911 der geistliche Rat und (ab 1956) Ehrenbürger der Stadt Fröndenberg Heinrich Schmallenbach (1871-1958). Während des Kulturkampfes in der Bismarckzeit musste allerdings der katholische Pfarrer Siemer seine Wohnung im Stiftsgebäude kurzzeitig verlassen und auch sein Gehalt wurde gesperrt. Doch der im fernen Berlin angezettelte Kampf gegen die katholische Kirche konnte die Fröndenberger nicht schrecken. Der evangelische Pfarrer zur Nieden nahm Siemer in seiner Dienstwohnung im gleichen Gebäude für vier Wochen auf, ehe ihm im Boeselager´schen Haus (in Besitz der katholischen Gemeinde) eine Wohnung hergerichtet wurde. Monatlich sammelten die Katholiken für sein Gehalt und er beteuerte später, noch nie über so viel Geld verfügt zu haben, wie in dieser Zeit.
Trotz mancher kleineren Misshelligkeiten unter den Wohnparteien war das Stiftsgebäude somit ebenso ein Spiegelbild gelebter Ökumene wie die bis 1895 simultan genutzte Kloster- und Stiftskirche aus dem 13. Jh. Erst zu diesem Zeitpunkt hatte sich die stets größer werdende katholische Gemeinde ein eigenes Gotteshaus erbauen lassen. Traditionell findet auch heute noch traditionell wenigstens jährlich eine katholische Messe hier statt.
In den ersten Nachkriegsjahren wurden in beiden Haushälften des Stiftsgebäudes auch Flüchtlinge und Heimatvertriebene untergebracht.
Nachdem bereits 1949 Verhandlungen geführt worden waren, kaufte die Stadt Fröndenberg (Ratsbeschluss vom 9.12.1958) zunächst im Januar 1959 die südliche (katholische) Hälfte, 1960 dann die nördliche (evangelische) Hälfte des Gebäudes beiden Kirchengemeinden für je 55.000,- DM ab und richtete in einem Teil des Hauses im Dezember 1961 ein kleines Heimatmuseum ein; einige Jahre später folgte der Einzug der Stadtbücherei. Nach dem Kauf des Hauses durch die Stadt wurden auch Teile des Hauses an verschiedene Familien vermietet.
Zustand vor der grundlegenden Sanierung des Hauses. Der Anbau wurde dabei entfernt.
Es war der Initiative des damaligen Bürgermeisters Hubert Schmidt zu verdanken, dass die „alte Bruchbude“ (Zitat eines anders denkenden Ratsherrn) seinerzeit nicht abgerissen wurde.
Auch seine Nachfolger zeigten Verantwortung für das historische Gebäude.
Erstmals im Herbst 1967 wurde über eine Renovierung des Hauses im Rat diskutiert, nachdem sich der Kulturausschuss für dessen Erhaltung ausgesprochen hatte. Aber erst im Verlauf der Ratssitzung am 19. März 1974 wurde nach kontroverser Debatte endgültig bei nur einer Stimmenthaltung auf Antrag der SPD-Fraktion beschlossen, das Gebäude von Grund auf zu sanieren. Es war auch deswegen eine historische Ratssitzung, da nach fast zehnjähriger Unterbrechung Alt-Bürgermeister Hubert Schmidt während dieser Sitzung im Nachrückverfahren als alt-neues Ratsmitglied vereidigt wurde und, natürlich, sich vehement für den Erhaltungsbeschluss einsetzte.
Der damalige Kostenvoranschlag belief sich auf 1,2 Mio. DM.
Bürgermeister war 1974 Friedrich (Fritz) Droste von der SPD, im folgte 1975 Friedhelm Westermann von der CDU. 1975 wurde mit den Bauarbeiten begonnen, eine umfassende Sanierung und Renovierung des stadtbildprägenden Gebäudes durchgeführt und das Haus am 31.5.1979 mit einem Volksfest wiedereröffnet. Beteiligt waren an den Sanierungsarbeiten die Architekten Josef Schmidt, Gerd Wessels, Karl Hennemann und Dipl.-Ing. Finger. Die Lokalpresse berichtete unter der Schlagzeile „Aus einem Schandfleck ist ein Schmuckstück geworden“ darüber ausführlich.
Im Zuge der Sanierung wurde der etwa 1909/10 errichtete zweistöckige Anbau an der nördlichen Giebelseite wieder entfernt. Die Sanierung wurde 1979 als „vorbildliches Objekt der Kultur- und Denkmalpflege“ durch das Land NRW ausgezeichnet und finanziell unterstützt. Seither beherbergt das Haus den großen Sitzungs- und Veranstaltungssaal für den Stadtrat und kulturelle Veranstaltungen, einen kleineren Sitzungsraum, das Heimatmuseum im Dachgeschoss. Das Untergeschoss und das 1. Obergeschoss werden gastronomisch genutzt und bieten Wohnraum für den Pächter. Bis zu deren Umzug zum Marktplatz war hier auch für einige Jahre der Standort der Stadtbücherei.
Seit 1975 flossen bis zur Euroumstellung Anfang 2002 etwa 3 Mio. DM in die Erhaltung der Bausubstanz.
© Jochen v. Nathusius
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